Qualitätssicherung der Diagnostik beruflicher Typ IV-Allergien bundesweit: Eine Mixed-Methods-Studie zur Reflexion zukünftiger Perspektiven für die Aufklärung von Kontaktdermatitiden am Arbeitsplatz mittels Epikutantestung von komplexen Stoffgemischen

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https://doi.org/10.48693/503
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Titel: Qualitätssicherung der Diagnostik beruflicher Typ IV-Allergien bundesweit: Eine Mixed-Methods-Studie zur Reflexion zukünftiger Perspektiven für die Aufklärung von Kontaktdermatitiden am Arbeitsplatz mittels Epikutantestung von komplexen Stoffgemischen
Sonstige Titel: Quality management of the diagnosis of occupational type IV allergies nationwide: A mixed-methods study to reflect future perspectives for the clarification of contact dermatitis in the workplace by means of patch testing of complex substances mixtures
Autor(en): Symanzik, Cara
ORCID des Autors: https://orcid.org/0000-0002-4090-6726
Zusammenfassung: In der Diagnostik beruflicher Typ IV-Allergien bestehen zunehmende Missstände, welche eine sachgemäße Epikutantestung mit patienteneigenen Substanzen resp. komplexen Stoffgemischen erschweren oder sogar unmöglich machen. Epikutantestungen von berufseigenen Substanzen werden zurzeit nicht systematisch erfasst. Mit der vorliegenden Arbeit soll vorrangig eine Qualitätssicherung der Diagnostik von beruflichen Typ IV-Allergien angestoßen werden, wozu erstmals eine Evaluation der Test- und Dokumentationsqualität bei bundesweit nach Beauftragung durch den Unfallversicherungsträger durchgeführten Epikutantestungen erfolgt. Zudem sollen Herausforderungen in der Datenübermittlung für die Mitarbeiter der Unfallversicherungsträger identifiziert werden. Analysiert werden soll zudem, ob und inwiefern eine Zusammenarbeit mit Produktherstellern beruflicher Stoffgemische hinsichtlich einer Deklaration und / oder Zurverfügungstellung von Einzelsubstanzen aus komplexen Stoffgemischen für die Epikutantestung möglich ist. Ferner soll eruiert werden, wie sich in der Zukunft Perspektiven für die allergologische Diagnostik, besonders im Bereich der Berufsdermatologie, bezüglich der Testung von patienteneigenen Substanzen in Deutschland, gestalten lassen können. Im Sinne eines Mixed-Methods-Ansatzes erfolgt eine Kombination quantitativer (retrospektiv-prospektive Analyse von Patientenfällen in Abschnitt I sowie parallele schriftliche vollstandardisierte online-Befragungen in Abschnitt II und III) und qualitativer Forschungsmethoden (sequentiell an Abschnitt I bis III angeschlossene problemzentrierte, semistrukturierte Experteninterviews in Abschnitt IV). Die in Abschnitt I durchgeführte dezidierte retrospektiv-prospektive Analyse von 460 Patientenfällen mit insgesamt 3004 bundesweit durchgeführten Epikutantestungen patienteneigener Substanzen zeigt hinsichtlich der Güte der Test- und Dokumentationsqualität, dass insgesamt erhebliche Defizite, besonders im Bereich der Dokumentationsqualität, bestehen; dies vorwiegend im niedergelassenen Bereich. Eine vollständige Dokumentation der Bezeichnung der patienteneigenen Substanzen lag bei 2203 (73,3%) der 3004 Substanzen vor. Die Testkonzentration wurde bei 631 (74,3%) von 849 relevanten Testungen dokumentiert. Eine Dokumentation des Applikationsvehikels erfolgte bei 593 (70,5%) von 841 relevanten Testungen. Der pH-Wert wurde bei 163 (22,5%) von 723 relevanten Testzubereitungen angegeben. Die abschließende Beurteilung der Testqualität sowie die Identifikation neuartiger beruflicher Kontaktstoffe mit Sensibilisierungspotential wird durch die oben beschriebenen Mängel hinsichtlich der Dokumentationsqualität massiv beeinträchtigt und ist in einigen Fällen unmöglich. In 457 (99,3%) Fällen fand auch eine Epikutantestung mit korrespondierenden kommerziellen Testsubstanzen statt. Die empfohlene Mittestung von Natriumlaurylsulfat erfolgte bei 389 (85,1%) Fällen. Die ausgewählten Testreihen waren in 189 (41,4%) Fällen angemessen für den ausgeübten Beruf. Es wurden 161 positive Reaktionen auf Berufsstoffe dokumentiert. Eine ausreichende Abklärung durch Testung kommerzieller Testsubstanzen erfolgte bei 116 (72,0%) und die Aufschlüsselung von Einzelsubstanzen aus einem Stoffgemisch bei 49 (30,4%) dieser Reaktionen. Anhand der vorliegenden Informationen zur Testdurchführung wurden 33 (20,5%) Reaktionen auf Berufsstoffe als falsch-positiv eingestuft. Zu konkludieren ist, dass positive Epikutantestreaktionen auf Berufsstoffe häufig nicht ausreichend abgeklärt werden oder retrospektiv als falsch-positiv zu bewerten sind. In 70% der Fälle unterbleibt die erforderliche Testung von Einzelsubstanzen aus Stoffgemischen. Aufgrund der gravierenden Missstände in der allergologischen Diagnostik besitzen die durchgeführten Testungen in 35% der Fälle keine Aussagekraft. Mit der in Abschnitt II durchgeführten Befragung der Unfallversicherungsträger konnten folgende zentrale Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert werden: i) digitale Erfassung der Testungen mit patienteneigenen Substanzen im System, ii) digitale Anonymisierung der Patientenakte, iii) Verteilung der Arbeitslast mit dezentraler Bearbeitung der Fälle und iv) einheitliche Dokumentation der Epikutantestungen seitens der testenden Ärzte. Im Rahmen der in Abschnitt III durchgeführten schriftlichen online-Befragung von Produktherstellern beruflicher Stoffgemische stellte sich heraus, dass besonders bei der Beschaffung von Einzelsubstanzen aus komplexen Stoffgemischen für die Epikutantestung große Probleme vorliegen. Die Bereitschaft zur Benennung von Einzelsubstanzen aus einem Stoffgemisch bestand bei 16 (66,6%) der 24 Herstellerfirmen. Die Bereitschaft zur Zurverfügungstellung von Einzelsubstanzen aus einem Stoffgemisch für eine Epikutantestung bestand bei 15 (62,5%) der 24 Herstellerfirmen. Die Zurverfügungstellung soll dann allerdings nur verblindet mit Entblindung bei positiver Testreaktion erfolgen, was die Testung nicht nur im Sinne des Patientenschutzes, sondern auch aus haftungsrechtlichen Gründen unmöglich macht. Durch die in Abschnitt IV durchgeführten Experteninterviews stellte sich heraus, dass im Bereich der Diagnostik beruflicher Typ IV-Allergien insgesamt gravierende Missstände existieren. Hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung der allergologischen Diagnostik, besonders im Bereich der Berufsdermatologie, bezüglich der Testung von patienteneigenen Substanzen resp. Berufsstoffen in Deutschland ließen sich folgende zentrale Perspektiven ableiten: i) Zunahme der Problematik für die Gesamtversorgung durch weniger testende Ärzte und gleichzeitig sinkende Verfügbarkeit von kommerziellen Epikutantestsubstanzen, ii) Zunahme der Relevanz von Epikutantestungen patienteneigener Substanzen, auch durch stetiges Hinzukommen neuer unbekannter Allergene, iii) Notwendigkeit der Verbesserung der Gesamtsituation im Sinne des Verbraucher- resp. Patientenschutzes und iv) Erfordernis der Ausgestaltung eines konsensualen Weges unter Einbezug aller Stakeholder zwecks Aufarbeitung der bestehenden Problematiken. Der Qualitätssicherung der Diagnostik beruflicher Typ IV-Allergien ist gemäß den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit noch größere Bedeutung zuzusprechen als initial vermutet. Einer verbesserten Qualität bei der Durchführung und Dokumentation der Testungen kommt nicht nur bezüglich der Verbesserung der Versorgung der Patienten, sondern auch hinsichtlich der zielgerichteten Allokation von Finanzmitteln der Unfallversicherungsträger eine hohe Relevanz zu. Auf nationaler Ebene konnte der akute Handlungsbedarf der Initiierung eines Austausches mit allen Stakeholdern zur zukünftigen Gestaltung der Perspektiven für die allergologische Diagnostik, besonders im Bereich der Berufsdermatologie, bezüglich der Testung von patienteneigenen Substanzen resp. Berufsstoffen in Deutschland identifiziert werden, der zur Ausgestaltung eines konsensualen Weges führen soll. Geplant ist diesbezüglich die Konstituierung eines Runden Tisches, der einen auf mehreren Ebenen wirksamen, ganzheitlichen Lösungsansatz bilden soll, im Rahmen dessen die Behebung bekannter Problematiken angestrebt sowie der Entstehung neuer Problematiken vorgebeugt werden könnte. Auch auf internationaler Ebene wurde hinsichtlich der mit der vorliegenden Arbeit identifizierten vielschichtigen Problematiken seitens Fachkreisen ein Handlungsbedarf gesehen und aus dieser Kalamität heraus die European Society of Contact Dermatitis Taskforce: Legal Matters Concerning Patch Test Materials ins Leben gerufen. Eine langfristige Targetierung der identifizierten Problemstellungen auf Ebene der Europäischen Union ist dadurch zu erwarten. Die Initiierung zielführender Maßnahmen in Bezug auf eine anzustoßende Qualitätssicherung der Diagnostik beruflicher Typ IV-Allergien wurde befördert durch die mit der vorliegenden Arbeit erfolgte Identifizierung der vielschichtigen Problemstellungen im Bereich der Epikutantestung von kommerziellen sowie patienteneigenen Testsubstanzen, das Aufzeigen von akuten und langfristigen Handlungsbedarfen, auch unter Berücksichtigung berufsbezogener Aspekte, sowie die Ausgestaltung von Impulsen für nationale und internationale Handlungsinitiativen. Es ist zu erwarten, dass nur auf diese multimodale Art und Weise mit Fokus auf akute und langfristige Bedarfe eine adäquate, nachhaltige und ganzheitliche Ausgestaltung zukünftiger Perspektiven für die Aufklärung von Kontaktdermatitiden am Arbeitsplatz mittels Epikutantestung von komplexen Stoffgemischen erfolgen kann.
Bibliografische Angaben: Habilitationsschrift, Universität Osnabrück, 2024
URL: https://doi.org/10.48693/503
https://osnadocs.ub.uni-osnabrueck.de/handle/ds-2024022210785
Schlagworte: Allergie; Allergologie; Berufsdermatologie; Dermatologie; Epikutantestung; Kontaktallergie; Kontaktdermatitis; Qualitätsmanagement; Qualitätssicherung; Typ IV-Allergie; allergology; allergy; contact allergy; contact dermatitis; dermatology; occupational dermatology; patch testing; type IV allergy; quality assurance; quality management
Erscheinungsdatum: 22-Feb-2024
Lizenzbezeichnung: Attribution 3.0 Germany
URL der Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/
Publikationstyp: Monographie [Monograph]
Enthalten in den Sammlungen:FB08 - Hochschulschriften

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